3D Druck in Schwerelosigkeit

AIMIS-FYT Team nutzt vipro-HEAD für Versuche mit Unterstützung der ESA als Hauptsponsor

AIMIS-FYT Team

Ein studentisches Team der Hochschule München hat sich erfolgreich für die „Fly Your Thesis 2020!“-Kampagne der Europäischen Raumfahrtagentur ESA beworben. Anfang November 2020 werden in Bordeaux im Rahmen dessen 3D Druck Versuche in Schwerelosigkeit durchgeführt. Die acht Mitglieder des AIMIS-FYT Teams sind Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik an der Hochschule München. Der Name AIMIS steht für Additive Manufacturing in Space. Ihr Projekt hat zum Ziel, ein 3D-Druckverfahren zu demonstrieren, mit dem Strukturen für Solarpaneele, Antennen oder andere Installationen im Weltraum hergestellt werden können.

Gedruckt wird im Versuch mit einem 3D Druckkopf von ViscoTec: Dem vipro-HEAD 5. Der 1K Druckkopf hat sich bereits in zahlreichen Anwendungen mit viskosen Medien und Pasten bewährt. Die Materialien werden rein volumetrisch gefördert. Das Endloskolben-Prinzip garantiert absolut präzise Druckergebnisse: Während der Übergänge zu einer neuen Linie können unerwünschte Fäden dank programmierbarem Rückzug vermieden werden. Auch Prozessschwankungen wie Viskosität, Druck und Temperatur werden innerhalb des Druckvorgangs nivelliert.

Druckvorgang eines Stabes beim Prototypen

In dem Versuch des AIMIS-FYT Teams kommt ein photoreaktives Harz zum Einsatz. Das Harz wird extrudiert und durch UV-Licht gehärtet. In drei Parabelflügen sollen die Experimente im November durchgeführt werden. Pro Flug sind 30 Parabeln geplant, an denen von einem Wendepunkt über den Hochpunkt bis zum anderen Wendepunkt der Parabel 20 Sekunden Schwerelosigkeit herrschen und Versuche durchgeführt werden können. Das AIMIS-FYT Team hat die Möglichkeit, insgesamt acht Experimente umzusetzen, um den 3D-Druckprozess unter Mikrogravitationsbedingungen zu untersuchen. Dabei sollen gerade Stäbe, Verbindungen von Stäben oder Freiformstäbe erzeugt werden. Für die ersten sechs Betriebsarten wird eine konventionelle Druckplatte als Ausgangspunkt für den Druck verwendet. In den letzten beiden Versuchen wird das Verhalten von druckenden, freischwebenden Stäben beobachtet. Die Hauptparameter des Druckprozesses sind die Extrusions-Geschwindigkeit des Harzes, die UV-Lichtintensität, die UV-Lichtzeit und die Trajektorie des Druckers. Die Anzahl der Parabeln ermöglicht es, jedes Experiment mehrmals mit unterschiedlichen Parametereinstellungen zu wiederholen.

Derzeit ist es nur in Verbindung mit hohen Kosten möglich, Geräte oder Ersatzteile in den Weltraum zu transportieren. In einem Interview mit Torben Schaefer, Pressesprecher des AIMIS-FYT Teams erfahren Sie mehr über dieses spannende Projekt:

  1. Was gab den Anstoß, sich für die Fly Your Thesis! 2020 Kampagne der ESA zu bewerben. Wie wurde die Idee geboren, 3D Druck in Schwerelosigkeit durchzuführen?

Torben Schaefer: Die Idee entstand durch die Inspiration unseres Raumfahrtprofessors an der Hochschule München – Hr. Prof. Markus Pietras. Er hat bereits zuvor Projektarbeiten zu diesem Thema an Studenten vergeben, die mit dieser Technologie Experimente durchführten. Daraus haben sich das Interesse und die Idee entwickelt, sich für das FlyYourThesis2020! Programm der ESA zu bewerben. 

Durch das Verfahren, welches wir erforschen, sollen die Möglichkeiten zukünftiger Raumfahrtmission erweitert und Kosten gesenkt werden. Heutige Missionen sind durch die hohen wirkenden Kräfte des Raketenstarts, die maximale Abflugmasse und das eingeschränkte Volumen innerhalb der Rakete, stark begrenzt.

Unser 3D Druckverfahren kann direkt dreidimensionale Strukturen in den Weltraum drucken mit Hilfe eines UV-härtenden Klebstoffes bzw. einer Vergussmasse. Die Kombination aus neuartiger Technologie und der schier grenzenlosen Freiheit an Formen und Anwendungsfällen begeistert unser gesamtes Team und war ausschlaggebend für die weitere Erforschung dieser Technologie. Hinzu kommt, dass wir schon in jungen Jahren eine große Faszination für den Weltraum hegen. Unser Partnerteam AIMIS-REXUS führte eine erste Technologiedemonstration auf der Höhenforschungsrakete REXUS durch. Wir – AIMIS-FYT – werden einen Schritt weiter gehen und die einzelnen Grundoperationen in der Schwerelosigkeit testen.

  1. Wie kamen Sie dabei auf ViscoTec?

Torben Schaefer: Unser Druckverfahren druckt – anders als herkömmliche 3D-Drucker für Hobbyanwendungen – mit einem UV-aushärtenden Harz. Dieses Harz muss dosiert abgegeben werden, um 3D-Strukturen herstellen zu können. Nach einer Recherche sind wir auf ViscoTec gestoßen, die für solche Anwendungen bereits einen 3D-Druckkopf im Angebot haben.

Da das Druckmedium – in unserem Fall mittel bis hochviskose Harze – ein zentraler Bestandteil des Druckprozesses ist, haben wir uns zunächst für Harze mit schnellen Aushärtezeiten entschieden. Parallel wurden die Anforderungen an die Förderung und Dosierung des Mediums definiert, wie z.B. eine sehr präzise und konstante Förderung des Materials auch bei hoher Viskosität. Die Firma ViscoTec ist aus unserer Sicht eines der führenden Unternehmen im Bereich der Förderung und Dosierung von mittel- bis hochviskosen Medien, sodass wir schnell den direkten Kontakt gesucht haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Sponsor unserer Harze eng mit ViscoTec zusammenarbeitet und so weitere Synergieeffekte genutzt werden können.

  1. Warum haben Sie sich für die ViscoTec Druckköpfe entschieden?

Torben Schaefer: Bei unserem Druckprozess ist eine präzise, druckstabile und konstante Förderung des Mediums wichtig und die Parameter sollten während des gesamten Prozesses konstant gehalten werden. Dies wird v.a. durch den genauen Schrittmotor, der optimierten Materialzuführung & Entlüftung und dem einfachen Luer-Lock Anschluss für beliebige Düsen gewährleistet. Der gesamte Druckkopf wiegt dabei weniger als 1kg und hat eine kompakte Form, sodass er präzise im Raum bewegt werden kann, um die gewünschten Formen zu drucken. Zusätzlich lässt sich die Förderrate des Druckkopfes, welche für unser Experiment entscheidend ist, jederzeit individuell auf unsere Anforderungen einstellen.

  1. Welches Material soll gedruckt werden? Und warum haben Sie sich für dieses Material entschieden?

Torben Schaefer: Derzeit testen wir zwei verschiedene Materialien von der Firma Delo. Beide sind universell einsetzbar, lichtaushärtend in einem Wellenlängenbereich von 320 – 420 nm und weisen nach dem Aushärteprozess eine gute Stabilität und Festigkeit auf. Des Weiteren reagieren beide Materialien relativ schnell mit dem UV-Licht und haben somit eine ausreichend kurze Aushärtezeit.

Beim Photobond AD491 handelt es sich um einen mittelviskosen UV- und lichthärtenden Acrylat Klebostoff. Dieser zeichnet sich v.a. durch seine schnelle Aushärtezeit bei gleichzeitig hoher Extrusions-Geschwindigkeit aus. Zudem kann durch eine gezielte UV-Bestrahlung der Aushärtegerad beliebig gesteuert werden.

Um jedoch noch steifere Strukturen drucken zu können, planen wir für die Parabelflüge das Material Katiobond GE680 zu testen. Hierbei handelt es sich um einen hochviskosen UV- und lichthärtenden Epoxid Klebstoff, den auch unser Partner-Team AIMIS-REXUS auf deren Forschungsrakete testen wird. Dadurch können die Ergebnisse zwischen den Teams verglichen werden. Der Vorteil von Katiobond GE680 zeigt sich darin, dass der Aushärteprozess nur durch einmalige UV-Belichtung initiiert werden muss und das Material nach 24 Stunden komplett durchgehärtet ist.

  1. Wie muss man sich die Experimente vorstellen? Was genau drucken Sie im November?

Torben Schaefer: Die Versuche orientieren sich an den vier Grundoperationen, die wir für das Drucken von Strukturen (Z.B. Fachwerkstrukturen) in der Schwerelosigkeit identifiziert haben und sind nach zunehmender Komplexität geordnet:

  • Gerader Stab
  • Gerader Stab mit Start- / Stoppunkten
  • Freiform Stab
  • Verbindungen zwischen Stäben.

Durch Kombination dieser Grundoperationen soll in der Zukunft ermöglicht werden, komplexe Gesamtstrukturen zu drucken.

An drei Flugtagen werden in Summe 90 Parabeln geflogen und deshalb können wir insgesamt 90 Experimente durchführen. Die Experimente sind aufgeteilt in die vier Grundoperationen und innerhalb der einzelnen Grundfunktionen variieren wir verschiedene Parameter, um deren Einfluss auf das Druckergebnis zu identifizieren. Deshalb statten wir unser Experiment mit einer Vielzahl an Sensoren aus, wie z.B. Wärmebildkameras, Luftdrucksensoren, Temperatursensoren, etc. Das Ergebnis sind 90 gedruckte Stäbe in unterschiedlichster Größe und Form, welche im Nachgang detailliert analysiert werden.

  1. Beschreiben Sie bitte kurz die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn das Projekt erfolgreich ist. Was ist der Mehrwert für die (europäische) Luft- und Raumfahrt?

Torben Schaefer: Unser Projekt ist eine fortgeschrittene Technologiedemonstration der vier 3D Druck Grundoperationen. Die Erkenntnisse aus den Experimenten sollen dafür genutzt werden, den Druckprozess weiter zu optimieren und die primäre Funktionsfähigkeit der additiven Fertigung in der Schwerelosigkeit zu beweisen. In der Zukunft kann die Technologie dann weiter verbessert werden und vielleicht sogar im Weltraum erprobt werden. Denn die Technologie bietet die Chance die Kosten für Satelliten und andere Weltraummissionen drastisch zu senken.

  1. Wie bereiten Sie sich bis November auf die Versuche vor?

Torben Schaefer: Aktuell befinden wir uns in der Designphase des Experimentaufbaus, denn unser Prototyp erfüllt nicht alle Anforderungen für eine erfolgreiche Durchführung in der Schwerelosigkeit. Der nächste Meilenstein ist das CDR (Critical Design Review) Ende April. Zu dem Zeitpunkt sind alle konstruktiven Arbeiten abgeschlossen und wir starten mit der Montage des Experimentaufbaus. Parallel werden weitere Tests mit dem Prototyp durchgeführt und Anfang Juni erfolgt die Testphase des flugfähigen Experiments.

Das gesamte Projekt orientiert sich sehr stark an einem realen ESA-Projekt und deckt deshalb nahezu alle wichtigen Bereiche ab. So werden die Studenten neben den technologischen Herausforderungen auch mit Herausforderungen hinsichtlich Organisation, Führungsverantwortung, Öffentlichkeitsarbeit und Teamdynamik konfrontiert – von strukturierten Projektplänen, Social Media Posts, über das Designen einer eigenen Website, bis hin zum Leiten von kleineren Projektteams. Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse der Versuche im November.

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